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Christchurch

Wieviele religiöse Lieder mögen es sein, die  gerade die Güte Gottes(oder des Menschensohnes) in den Mittelpunkt stellen möchten.
Meine aktuelle Frage aber hierzu: Galt diese Güte denn auch für den neuseeländischen Ort Christchurch, wo unlängst ein grosses Erdbeben stattfand, mit mindestens 65 Toten und 200 Vermißten und anderen Verheerungen? Ich muß sogleich auch an das Beben von 1997 in Assisi, Italien, denken, wo Geistliche in der berühmten Basilika, -einst zu Ehren Gottes erbaut- während ihrer akribisch- gottergebenen Restaurierungsarbeiten von der einstürzenden Kuppel getötet wurden.
So drängt es ja doch immer wieder zum gleichen Problem der Theodizee: Warum erschlägt Gott seine eigenen (zudem ergebensten) Kinder oder eine Stadt, die sich ihren Namen zu seinen Ehren gegeben hat? So Gott doch als unendlich allmächtig wie gütig beschrieben wird? Warum nur sollte er dies veranlassen, zumal es für ihn das allerleichteste wäre, dieses unnütze Zerstören und Sterben mit einem Fingerschlag abzuwenden? (Weil der Mensch sich im Leid wie Jesus als Gekreuzigten von Gott geliebt erfahren soll bzw. darf, wie von Frau Käßmann zu vernehmen war? Ein seltsamer Masochismus. Und warum hätte Gott das nötig? Nein, man kann hundert Bibliotheken mit Abhandlungen über dieses Thema füllen, an diesem Punkt scheitern alle Erklärungen, vom Kirchenlaien bis zum gebildeten Theologen findet man keine echten Antworten. Nur Vages, Hilfloses, das Problem Verlagerndes. Es gibt schlicht keinerlei Lösungsmöglichkeit für dieses allerschwerste Problem und zurückbleibt immer nur der mehr als berechtigte Zweifel an der inneren Logik und Wahrheit “unseres”  antrophomorph-abrahamitischen Gottesbildes.

Schweben und Fallen

Das stolze Bild vom aufrecht gehenden Menschen kommt quasi einem Fehlschluß gleich, denn unser Gang ist letzlich nichts als ein Zustand der gravitätischen Hemmung. Eigentlich, adäquat zu seiner Disposition nach den Gesetzen im physikalischen Raum, sollte der Mensch viel eher fallen. Nach Newton zieht die Gravitation zum Zentrum der Objekete oder Räume hin, entzöge man der Erdkugel demnach die äußere Kruste und gäbe es auch sonst darunter keinen Widerstand mehr, würde die milliardenfache Menschheit im glühenden Erdmittelpunkt zusammenfallen. Nur das Feste, das im Wege steht, hält uns davon ab, unserer tatsächlichen Körperbestimmung nachzukommen (nämlich dem Fallen), und gäbe es den Kern nicht und wäre der Mittelpunkt viel ferner (er ist es, wir fallen, schweben oder rasen ja mit der Erdkugel, mit dem Sonnensystem, mit der Galaxie, mit der lokalen Gruppe und so fort)würde also der Bezugspunkt zur Mitte fehlen (und zeitgleich der Luftwiderstand), so wäre ein reines, (quasi) ewiges Fallen, somit aber ein nicht weiter bemerkbares Schweben, weil ja alles im gleichen Verhältnis mit uns mitfiele. Somit ist unser “Gehen” oder “Laufen” eigentlich nichts anderes als ein nach vorne gerichtetes Kompensieren des gehinderten Falles. Dies gibt es beim menschlichen “Aufgerichtetsein” zu bedenken. Es ist nur gehemmtes Resultat des schweren Untergrundes.

Februar

Orion am Abend
und Februar hat kleine harte Wogen
in den Waldmorast gefroren
knochenkalt liegen heute alle Wege
die einen halten inne hinter Bäumen
und wir sind dezimiert in den Häusern
ausgehungert und noch immer ungebrochen
wartet das Leben.

Freiheit ist ungerichtet

Der Liberalismus seit der Renaissance habe den Individidualismus hervorgebracht, die Konkurrenz, die Atomisierung der Handlung und des Gedanklichen. Wie die Anhänger des Kollektivismus (vornehmlich im 20.Jahrhundert)monierten und wie einige von ihnen bis heute bedauern, zerfließt der Ozean gemeinsamen Handelns mittlerweile in alle Richtungen, bildet Millionen einander neutralisierender(?) Bäche und kommt schließlich in einer Vielzahl stehender Lachen zum Erliegen. Zudem hätte man zuvor die Freiheit in allen Bereichen proklamiert und außer Acht gelassen, womit sie gefüllt werden sollte.  Man gesteht allerdings, -ganz progressiv gestimmt-daß das Leben früher wohl doch in ein Prokrustesbett “bestimmter” Ideen gepreßt war, daher die Freiheit sich berechtigtermaßen ihren Weg zu bahnen hatte.
Somit, nach den Forderungen nach “Gerichtetheit”, die im 20. Jahrhundert eine (bisherige) dramatische Klimax erreichten, ist für unser Jahrhundert ein fortschrittlicheres Proklamat anzustimmen:
Laßt doch den Mensch nun aufstehen, als individualisiertes Eigenwesen aus diesem Bett des Prokrustes aufsteigen, um endlich zur Besinnung zu kommen, doch darf er eine Weile auf der Bettkante sitzen, denn er muß zuallererst seine Benebelung abschütteln, selbst wenn dies Jahrhunderte dauern mag, denn noch länger hat er ja gelähmt und geschwächt, oder gekürzt und überdehnt, daniedergelegen. Auf der Hut muß man vor allem sein, daß die Vakanz der Ideen nicht gleich ausgenützt wird und direkt eine Verordnung oder Ausrichtung einfließt oder ein neuer oder nächster Prokrustes mit “Ismen” zu Werke geht. Um beim Eingangsbild zu bleiben: Man schaut also von oben auf endlose Nebenarme und stehende Seen.Im Zeitalter der Fraktale und der subatomaren Teilchen-Ebenen muß man darin keine Bedrohung oder Fehlentwicklung wittern, man sollte eher genug Vertrauen haben, dort eine höhere Ordnung, einen tieferen “chaotischen” Zusammenhang zu erkennen. Anstatt der Totalität tritt mit “echter” Liberalisierung und “Erlaubnis” zur Diversifikation nun Komplexität. Gerichtetheit heißt nicht Flußrichtung, sondern Gerichtetheit in der Komplexität heißt Teleologie der Vertiefung und der subterranen Verbindung aus den Unterströmungen, -nebenbei: schon nach kunfuzianischem Bild muß das Gewässer stehen, um auszufüllen und Tiefe zu erlangen. Der große Gesamtstrom, die tatsächliche Verbindung ist die implizite Ordnung, der Urgrund, und dessen Status ist keine Frage verordneter Flußrichtungen (oder “Ismen), also ideologischer oder religiöser Forderungen nach “Gerichtetheiten”, sondern eine Frage der “autarken” Tiefenwirkung. Und diese Tiefenwirkung ist letzlich vor allem auch eine Folge der unverrückbaren, unvermeidlichen Eigenentfaltung.

Januarwind

Das war genau vor dreissig Jahren
so spracht das dürre Hutzelweib
ein seltener Wind hatte die Klammer gelöst
und das Eis im Bach davongetragen
fast wie im späten März
so einfacher wurde das Leben
nur unser Spätgeborener
er war verschwunden
und erst im Früjahr angeschwemmt
in der Stadt an der großen Flußbiegung

Sommer vor Odessa

Um diese Zeit ohne Wölfe
der Vater meines Vaters
-und ich bin schon zum Greis geworden-
hatte Ar an Ar ein Land gebaut
so daß wir Lotkirschen aßen
und in die Sonne riefen
wir sind noch zu jung für den Winter
und darum den bleichen Relikten folgten
noch vor dem Regen nach Hause.

Bildergang

Wie in “Okkasionalismus in den Parallelwelten” dargelegt, möchte ich davon ausgehen, daß einer (das Sein betreffenden) Progression bzw. irgendeinem Kausalzusammenhang gar keine echte Existenz zukommt, stattdessen gibt es nur unendliche statische/parallele Bilder und deren durch die Sinne als “zeitlich” interpretierbare Abfolge bzw. Wahrnehmung. Das handelnde Individuum wandelt (oder springt) dabei lediglich von einem Zustandsbild zum anderen. Die Sprünge selbst sind zu klein als daß wir sie als diskret (getrennt)wahrnehmen würden, vergleichbar etwa mit der Bilderfolge des Fernsehformates, deren Einzelbilder wir durch die Trägheit unserer Sinne zu einer zusammenhängenden Bewegung ergänzen. Nun stellt sich automatisch die Frage, was uns denn befähigt, durch diese Bilderwelt “sinnvoll” hindurchzulenken: Erschafft dies eine äußere Instanz oder geht dies auf unser eigenes Vermögen zurück? Vorrausgesetzt, der Mensch ist (wie in “Gestalt-Autarkie”  dargelegt), selbst die formgebende Kraft, ist er eben auch Schöpfer all dieser Bilder, die er zeitgleich und parallel vor sich ausbreitet. Aber was hat es mit einem dahinterstehenden Willen, dem Inneren, dem Psychischen, dem, was “vor” den Sinnesorganen liegt, auf sich?  Woraus schöpft denn dieser Wille? Diese prinzipielle Frage beschäftigt ja durch alle Zeiten hindurch. Zieht man dabei aber auch in Betracht, daß es eventuell gar keinen Willen als solchen gibt? Willen als nichtphysische, sondern psychische Progression ist eben  gemäß dem Dargelegten auch ein Nebeneinander von (nun geistigen)Zuständen, die schließlich als Abfolge interpretierbar werden. Demnach gibt es nur eine Darauf-Schau einer pychischen Bilderfolge, die im Nachhinein als eigener Wille angesehen wird.Tatsächlich aber ist der Wille als solcher  -wie auch die Tat, eine Illusion und letzlich nichts als eine Abfolge prinzipieller Möglichkeiten, die nur sinnvoll erscheint, weil sie (allerdings erst nach ihrer Wirkung) im Sinnesorgan “Bewußtsein” zu “Sinn” verarbeitet wurde.

Dezemberbild

Um uns die unbekannte Größe
eine Flammenzunge leckt
im Spiegelhauch
ruft aus stillem Fenster
in eine hohe Nacht
und daneben wohnt ein Tier und  Stein
Sieh das nutzlose Recken
nach der Höhe der Zimmer
nur eine Kerze spendet Wärme
und draußen direkt am Haus
rauschen ja surren die alten Nadelbäume
heilig und rauh.