Überzeitlicher Dualismus?

Yirmiyahu Yovel: “Kants Überzeugung, er könne der Moral eine absolute Begründung geben, führte ihn über Immanenz und den von der Kritik eingegrenzten Raum hinaus, denn er setzte (wie bei der Erkenntnis) ein einziges, zeitloses Paradigma menschlicher Vernunft als gegeben voraus, das Geschichte nur zu erklären hilft; aber nicht beeinflussen kann; und er gründete die Moral (anders als die Erkenntnis) direkt im ‘Noumenalen’. Dadurch verwandelte Kant die Transzendenz aus einem leeren Horizont in den konstitutiven Grund moralischer Imperative und ihrer angeblich überzeitlichen Universalität.
In der Frage der Normativität vertritt Kant also eine dogmatische Auffassung der Immanenz, Spinoza dagegen eine kritische. Bei Kant kann Vernunft nicht wie bei Spinoza als Teil der aktualen Welt verstanden werden, sondern sie bildet darüber und außerhalb eine zweite, selbständige Welt, wobei der Mensch als ‘Bürger’ an beiden Welten teilhat. Es handelt sich hier um einen säkularen Überrest des christlichen Dualismus, wonach der Mensch mit einer vom Himmel stammenden göttlichen Fähigkeit ausgestattet ist.”

Was hier als säkularer Überrest eines überzeitlichen Dualismus benannt wird, ist aber zuletzt als starker Hinweis auf die einzige Bestimmung, ein einziges Sein zu nennen – denn ‘beide’ Welten kommen ja in eine! Dies impliziert selbstredend auch eine Zurückweisung derjenigen religiösen Systeme, die Transzendenz in Subjekt-Objekt-Relationen setzen.
Denn Volkmann-Schluck über die Seele im Neuplatonismus, über uns als Menschen: “Denn nichts anderes als eine Abspiegelung des Nous kann das Seelesein sein, weil der Nous keine Einbuße an Sein erleidet, wenn die Seele sein Innesein der Eide in der dianoetischen Vollzugsform des Übergehens vom einen zum anderen vollzieht.”
Nun meint eine Abspiegelung eben auch, daß diese gar kein eigenes Sein hat, und dies heißt so im Umkehrschluß, die Seele ist in Wahrheit Geist.
Nochmals Volkmann-Schluck: “Das Verweilen im denkenden Innesein der Ideen steht der sich in sich selbst hineinwendenden Seele bei Plotin offen, durch den Aufstieg zum Nous gewinnt sie ein neues, übermenschliches Seinsbewußtsein.”

Dieses Seinsbewußtsein konstituiert sich über unserer Welt – zur eigentlichen Welt. Kants zweite Welt ist unser eigentliches Sein. Daher ja auch verblasst die erste.
“Für Kant ist Geschichte der Prozeß, durch den die Vernunft ihre latenten Kräfte ans Licht bringt und sich allmählich aus der Umhüllung der Sinnlichkeit befreit und die objektive Welt nach ihrem Bilde formt.”
Ein Dualismus ist ja demnach nur sinnlich evoziert und hebt sich auf in der einen Welt, so die perzeptive Desintegration überwunden wird.