Theologie, Tod

“Die moderne christliche Theologie betont die Radikalität des Todes und des Totseins des Menschen in seinem Tode. Sie hat dafür die Bibel nicht einhellig auf ihrer Seite, aber ihr ist um des Glaubens Willen an diesem Argument gelegen. Wenn ich allein auf Gott die Hoffnung setze, daß er mich aus dem Tode auferweckt, so soll ich nicht gleichzeitig glauben dürfen, ein Stück von mir durch den Tod hindurchzuretten.
Die moderne christliche Theologie betont die Zäsur des Todes überscharf. Sie erweckt die Vorstellung, der Mensch liege, vernichtet an Leib und Seele, als ganzer Mensch und als Mensch ganz zerstört im Raum des Todes, der Gottesferne, bis an den jüngsten Tag, an dem Christus den Einzelnen wie die ganze Menschheit an Leib und Seele wieder zu neuem menschlichen Leben zusammensetzt. Sie möchte um des Glaubens willen verhindern, daß wir uns den Übergang zu leicht machen.” (J. Chr. Hampe)

Insofern nimmt das christliche Dogma dem Menschen im Tod eben jenes ganz Elementare fort, was es ihm schon zu Lebzeit abzusprechen gewillt ist – nämlich kurz gesagt seine ontische Verbundenheit zu Allumfassung des Seinsvollzuges. Die eigene Teilhabe hieran, die Autarkie durch Gewahrwerdung des eigenen und wahren inneren Seelengehaltes, der zuletzt (vom) Geist ist, wird fundamental sabotiert.
Ganz anders im deutschen Idealismus, hier wird der Gedanke der absoluten (auch vortodlichen) Kontinuität (wenn nicht Identität) deutlich genug herausgehoben. Die Seele ist – wir erinnern uns an das plotinische Diktum ihres Amphibien-Charakters – beiden Reichen angehörig, dem irdischen wie dem geistigen, und wirkt daher auch zugleich in beiden. Es wäre aber verkürzt, in diesem Kontext von einem Dualismus zu sprechen, denn beide Bereiche sind schließlich Aspekte des Einen, sodaß diese zuletzt nur durch den Erkenntnisgrad über dessen Explikation – in gebrochener Perzeption und Erfahrung getrennt in raumzeitliche Objekte fallend (hierin eingefaltet das ebenso Irrtümliche des Ich-Subjekts)- unterschieden sind. Die ungebrochene, also komplettierende, heilende Auffassung hingegen weiß um die eigene all-gegenwärtige Teilhabe am Einzigen, eben dem Numinosum, und erstrebt sie entsprechend aus sich selbst heraus zu erlangen.

Fichte sagt: “Nicht erst, nachdem ich aus dem Zusammenhange der irdischen Welt gerissen werde, werde ich den Eintritt in die überirdische erhalten, ich bin und lebe schon jetzt in ihr, weit wahrer, als in der irdischen, schon jetzt ist sie mein einziger fester Standpunkt, und das ewige Leben, das ich schon längst in Besitz genommen, ist der einzige Grund, warum ich das irdische noch fortführen mag. Das, was sie Himmel nennen, liegt nicht jenseits des Grabes; es ist schon hier um unsere Natur verbreitet, und sein Licht geht in jedem reinen Herzen auf. Mein Wille ist mein, und er ist das einige, das ganz mein ist, und vollkommen von mir selbst abhängt, und durch ihn bin ich schon jetzt ein Mitbürger des Reichs der Freiheit, und der Vernunfttätigkeit durch sich selbst. Welche Bestimmung meines Willens – des einzigen, wodurch ich vom Staube herauf in dies Reich eingreife, – in die Ordnung desselben passe, sagt mir in jedem Augenblicke mein Gewissen, das Band, an welchem jene Welt unablässig mich hält, und mit sich verknüpft; und es hängt ganz von mir selbst ab, mir die gebotene Bestimmung zu geben. Ich bearbeite mich dann selbst für diese Welt, arbeite sonach in ihr, und für sie, indem ich eines ihrer Glieder bearbeite; verfolge in ihr, und nur in ihr, ohne Wanken und Zweifel nach einer festen Regel meinen Zweck, – des Erfolges sicher, indem da keine fremdartige Macht meinem Willen entgegensteht.” (Fichte, Die Bestimmung des Menschen)